Steuerzeiten ausmessen

Geschrieben 05.02.2008, zuletzt geändert 21.06.2023
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Korrekte Steuerzeiten sind bei 2-Takt-Motoren kritisch für Funktion und Leistung. Minimale Änderungen können bereits größere Leistungssteigerungen hevorrufen - aber auch Leistungsverluste oder -verschiebungen in andere Drehzahlbereiche. Hier sind die Grundlagen der Steuerzeiten von Drehschieber-gesteuerten Vespa-Motoren.

Messung

Man nimmt den Zylinderkopf ab, schraubt handfest auf alle vier oder zumindest 2 diagonal gegenüber liegende Stehbolzen Scheiben und Muttern (größere Muttern unterlegen, wenn das Gewinde der Stehbolzen nicht reicht) und dreht die Kurbelwelle dann vorwärts in Laufrichtung.

Wenn man beim Drehen in den Zylinder sieht, kann man beobachten, wie der Kolben mit seiner Oberkante das Loch des Auslasses und der Überstöm-Kanäle bei verschiedenen Stellungen der Kurbelwelle freigibt und wieder verschließt. Hier ein Schema mit fiktiven Grad-Werten:

Schema Steuerzeiten

Angefangen am oberen Totpunkt (OT, höchste Stellung des Kolbens) öffnet dieser zuerst den Auslass, kurz danach die Überström-Kanäle (alle gleichzeitig oder bei komplexeren Systemen nacheinander) um dann nach dem unteren Totpunkt die Überströmer zuerst wieder zu verschließen, danach den Auslass.

Der Winkel vom Öffnen der Überström-Kanäle (ÜS) bis zum Schließen ist die sog. Überström-Steuerzeit, kurz Überströmzeit. Im Bild beträgt sie 100°, also von 50° vor UT (Unterer Totpunkt, tiefste Stellung des Kolbens) bis 50° nach UT. Analog beim Auslass die Auslass-Steuerzeit oder einfach Auslasszeit, 170°: Von 85° v. UT bis 85° n. UT.

Messen kann man diese, indem man statt dem Lüfterrad eine Gradscheibe anbringt, am OT der Kurbelwelle auf 0° ausrichtet und dann exakt abliest.

Symmetrie

Dass die Winkel vor und nach UT gleich sind liegt daran, dass das Öffnen und Schließen an der selben Kante passiert, also muss der Kolben zwangsweise beim selben Winkel an dieser vorbeikommen, egal ob auf- oder abwärts — ebenfalls egal, ob man die Kurbelwelle links- oder rechtsherum dreht.

Würde man nun die Kante des Fensters des Überström-Kanals im Beispiel höher fräsen (höher bedeutet in Richtung des Zylinderkopfes), so dass bereits bei 60° statt 50° v. UT vom Kolben freigegeben wird, so würde es auch erst 60° n. UT wieder von diesem geschlossen werden. Somit erhält man eine Anhebung der ÜS-Zeit von 100° auf 120°, nur durch einige mm oder im Extremfall nur Zehntel mm Fräsen!

Der gelb markierte Winkel von „Auslass geöffnet“ bis „ÜS geöffnet“ (hier 35°) ist der sog. Vorauslass-Winkel, hier kann das Altgas aus dem Zylinder mit Überdruck in den Auspuff, ohne dass Frischgas aus der Kurbelkammer durch die ÜS nachfließen kann.

Asymmetrie

Unabhängig von diesen (durch die Kolbenbewegung symmetrischen) Zeiten ist der Drehschieber-gesteuerte Einlass am Gehäuse zu sehen, durch den das Gemisch vom Vergaser in die Kurbelkammer gelangt. Im dunkelgrau markierten Segment gibt die kupplungsseitige Wange der Kurbelwelle den Einlass am Gehäuse frei, hier von 100° v. OT bis 55° n. OT, also 155° Einlasszeit. Das ist bei abgenommenem Luftfilter und -deckel durch den ganz aufgezogenen oder bei demontiertem Vergaser zu beobachten.

Beispiel T5-Originalzylinder

Steuerzeiten in etwa 166° Auslass / 121° Überströmer / 26° Vorauslass

Beispiel T5 Malossi 172

Steuerzeiten in etwa 180° Auslass / 124° Überströmer / 28° Vorauslass

Beispiel DR177

Steuerzeiten in etwa 155° Auslass / 115° Überströmer / 20° Vorauslass

Beispiel Malossi 210 alt

Steuerzeiten in etwa 181° Auslass / 123° Überströmer / 29° Vorauslass

Beispiel Lambretta TS1

Steuerzeiten in etwa 185° Auslass / 130° Überströmer / 27,5° Vorauslass

Weiterführendes

Auswirkungen von Änderungen und generelles zu den einzelnen Zeiten bzw. Winkeln und zu ihren Verhältnissen zueinander sind im GSF und im GSF-Wiki zu finden, ein PDF mit der Grafik von dieser Seite und Erklärungen dazu bei den Downloads.

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